Bremer Hühnersuppe und Rigaer Butt

Die Schaffermahlzeit beginnt mit einer Bremer Hühnersuppe, wie sie schon Betty Gleim in ihrem im Jahre 1808 herausgegebenen Kochbuch beschrieben hat. Die Bremer Hühnersuppe ist sozusagen der erste Gang vor dem Willkommensgruss des 1. Schaffers, der Rede des 2. Schaffers auf Bundespräsident und Vaterland und der 3. Strophe des Deutschlandliedes. Letzter Gang ist der Rigaer Butt, auch Rigsche Butten beziehungsweise Rigaische Butten genannt. Es ist eine geräucherte Seescholle aus Riga, die bei der Schaffermahlzeit zusammen mit Sardellen, Wurst, Zunge, Chester- und Rahmkäse sowie einem Fruchtkorb als Dessert gereicht wird - vor der Damenrede eines Kapitänsschaffers und der Rede des Ehrengastes. Rigaer Butt ist eine Erinnerung an die bremische Kolonie in Livland, das wiederum eine historische Landschaft in den heutigen Ländern Estland und Lettland ist. Dazu gibt es eine kleine Geschichte:Ein mit Gütern reich beladenes Bremer Schiff, das sich auf einer Küstenfahrt befand (Cabotage, sagte man damals), war vom Kurs abgekommen und musste in die Düna einlaufen. Was zunächst Pech war, erwies sich später als ein Glücksfall. Am Ufer der Düna gründeten die Bremer, angeführt von dem Domherrn Albert von Buxhövede, der vom Bremer Erzbischof zum Bischof von Livland ernannt wurde - er nannte sich Albert I. -, im Jahre 1201 die Stadt Riga, wie es in der Chronik von Rinesberch, Schene und Hemeling (Anfang des 15. Jahrhunderts) heisst. Leider hat der für diese Nachricht verantwortliche Mitautor und Bürgermeister Johann Hemeling (gestorben 1428) ein bisschen geschummelt, als er schrieb:"Albertus buwede (baute) de Stadt to Riga mit den borgeren (Bürgern) to Bremen". Denn die Gründung Rigas durch die Bremer ist aus heutiger Historikersicht unhaltbar, was uns aber nicht stören soll. Das Datum, 1201, jedenfalls stimmt. Und Rigaer Butt wird seit alters her auf der Schaffermahlzeit gegessen.

 

Stockfisch - Die Hauptmahlzeit

Es ist wohl möglich, dass der Stockfisch von Anfang an der Hauptgang der Schaffer war. Stockfisch wurde entweder mit zerlassener Butter serviert oder mit einer "weissen, dicken, sehr wohlschmeckenden Sauce", wie Johann Georg Kohl bereits Mitte des 19. Jahrhunderts schrieb, "auf deren vorzügliche Bereitung man sich in Bremen versteht". Heute wird Stockfisch mit Senfsauce gereicht.

Stockfisch ist ein aufgespaltener und getrockneter Kabeljau, den die Bremer seit Urzeiten aus Norwegen bekommen. Er war in Bremen beliebt, zumal er verhältnismässig billig war. Heute - in der Zeit der frischen Fische - kommt Stockfisch kaum noch auf den Tisch.
Johann Georg Kohl schreibt in seinem Buch "Alte und neue Zeit", dass der Stockfisch im 18. Jahrhundert das "jeden Freitag wiederkehrende und unausweichliche Gericht" gewesen ist, jedoch an der Mittagstafel nicht nur Freunde hatte.

Kohl:"Wenn den Tischgenossen, insbesondere den aus der Fremde eingewanderten jungen Comptoiristen, dieses Bremer Gericht nicht recht schmecken wollte und wenn sie sehr langsam daran herumkauten, so machte der alte Bremer Hausherr ein höchst verdriessliches Gesicht dazu."

 

Braunkohl und Pinkel

Die Kartoffel, die heute von keinem Bremer Mittagstisch wegzudenken ist, hat sich anfangs in der Hansestadt sehr schwergetan.

Als das HAUS SEEFAHRT gegründet wurde, gab es die Kartoffel in Europa noch gar nicht, und als es sie gab, mochten die Bremer sie noch lange nicht. Sie hielten Kartoffeln noch im 18. Jahrhundert für schädlich, ungesund und giftig.
Zum Braunkohl, der andernorts Grünkohl heisst, gab es Möhren und Rüben und eben Maronen, die noch heute auf jeder Schaffermahlzeit serviert werden. Dass heutzutage auch Bratkartoffeln zum Kohl gereicht werden, ist ein Zugeständnis an die Zeit und - an die auswärtigen Gäste der Schaffermahlzeit.
Denen nämlich mag man es nicht zumuten, dass sie sich mit einem Gericht auseinandersetzen müssen, in dem es mehrere Unbekannte gibt. Man muss wissen, dass erst eine alte und starke Gewohnheit dazu führt, Kohl und Pinkel geniessbar zu finden. Der langjährige, ehemalige Ratskellermeister, Karl-Josef Krötz, der von einem Weingut an der Mosel stammt und sich seit Jahren in Bremen überaus wohl fühlt, sagte unlängst während eines Kohlessens, Kohl und Pinkel hätten ihn jedenfalls nicht nach Bremen gezogen.

An der Spitze der Unbekannten, die dieses Leibgericht der Bremer ausmachen, steht Pinkel. Die Rede ist selbstverständlich von der Bremer Pinkel, nicht von der Oldenburger.
Pinkel ist eine Art Wurst, die aus Nierenfett, durchwachsenem frischem Speck, Flomen, auch Rinderfett oder Talg, reichlich Zwiebeln und bis zu etwa der gleichen Menge Hafergrütze besteht. Dazu kommen etwa 20 Gramm Salz auf ein Kilogramm, Pfeffer, Nelken, Piment und andere Gewürze, die zumeist Betriebsgeheimnis sind.
Die zuvor in einer Brühe gequollene Grütze und die Gewürze werden unter das mit Zwiebeln gewolfte Fettgewebe gemengt und erhitzt. Nach dem Abfüllen wird das Erzeugnis etwa 60 Minuten gegart und nach dem Abkühlen goldgelb geräuchert.

 

Sauerkraut und Schinken

Sauerkraut und Schinken gehörten früher zur Schaffermahlzeit wie auch Frankfurter Würstchen, wobei man sagen muss, dass die Mägen, nicht nur der Schaffer und ihrer Gäste, im 17., 18. und 19. Jahrhundert etwas stabiler eingerichtet waren als die Mägen an der Schwelle des 21. Jahrhunderts.

Im Jahre 1670 zum Beispiel gab es nach der "weissen" und "braunen" Suppe und nach dem Stockfisch Sauerkraut mit Schinken und Rauchfleisch. Erst danach wurden Kohl und Pinkel aufgetragen.

Doch geben wir dem Koch Müller das Wort, der für die Schaffermahlzeit im Jahre 1869 zuständig war. Er zählte bei den Vorbereitungen für das Essen vor den Vorstehern und Schaffern auf "Unter anderem weisse und braune Suppe, Stockfisch, Rauchfleisch mit braunem Kohl und Pinkel, Schinken und Sauerkraut, Frankfurter Bratwürste etc. Selbst Rigaer Butt waren nicht vergessen."

Der Chronist berichtet: "...dass sich ein sehr beruhigtes Gefühl der Versammlung ob solcher Sachkenntnis bemächtigte; man konnte ihn (den Koch Müller) rasch wieder entlassen, beste Lieferung besonders des Stockfisches und warme Teller empfehlend und bemerkend, betreffend der Pfeffer- und Salz-Tüten sei früher eine unverzeihliche Verwechslung vorgefallen, er möge doch auch ja dafür sorgen, dass die silberne Tüte das Salz, die goldene den Pfeffer enthalte.
Der Koch Müller schied indes nicht ohne einen Seitenhieb auf die Köchinnen, indem er behauptete, für warme Teller ohne deren Unterstützung durch Aufwaschen in kochendheissem Wasser nicht sorgen zu können ..."

 

Seefahrtsbier

Das Bier, mit dem die Schaffer und ihre Gäste anstossen, ist das dunkle, mit Malzextrakt angereicherte "Bremer Seefahrtsbier". Es ist ausserordentlich nahrhaft, enthält keinen Alkohol und wurde von den Seeleuten gegen alle möglichen Krankheiten getrunken, vor allem gegen Skorbut. Sehr gern tranken es früher auch die jungen Mütter, weswegen es im Volksmund "Ammenbier" hiess.

Das Bier entwickelt aber sehr viel fässersprengende Kohlensäure. Die Seeleute wussten sich zu helfen:Sie verstauten die Fässer mit dem wichtigen Nass ganz unten im kühlen Schiffsrumpf.

Im 16. Jahrhundert tranken die hansischen Seeleute Braunschweiger Mumme. Es war ein würzreiches, sehr dickes, dunkelbraunes, nicht gehopftes Bier mit süsslichem, angenehmem Geschmack, das in Braunschweig in zwei Sorten gebraut wurde:Es gab die einfache Stadtmumme, die in Braunschweig getrunken wurde, und die doppelte Mumme, die auch Schiffsmumme hiess. Sie wurde von den Seeleuten getrunken und war darüber hinaus zum Export geeignet. Ihren Namen hatte die Mumme von dem Braunschweiger Brauer Christian Mumme, der es im Jahre 1492 zum ersten Male braute.

Es blieb natürlich nicht aus, dass auch die Bremer Brauer das Rezept der Mumme herausfanden, und bald belieferten sie die Bremer Schiffe und auch die Schaffermahlzeit mit dem "Bremer Seefahrtsbier". Im Jahre 1869 zum Beispiel wurde vor der Schaffermahlzeit die "alte bewährte Quelle in der Brauerei des Herrn W. L. Bömers" in der Knochenhauerstrasse aufgesucht, um "daselbst das nöthige Quantum Bier" zu bestellen. Heute wird es von der Bremer Brauerei Beck & Co. gebraut - aber nur noch für die Schaffermahlzeit.